Umformtechnik – Verfahren, Grundlagen, Anwendungen und Zukunftsperspektiven

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Einleitung

Die Umformtechnik gehört zu den bedeutendsten Säulen der modernen Fertigungstechnik. Sie bildet die Grundlage für unzählige industrielle Produktionsprozesse – von der Herstellung filigraner Elektronikbauteile bis hin zu massiven Fahrzeugkarosserien.
Durch gezielte plastische Verformung von Werkstoffen können Bauteile präzise, effizient und Umformtechnik hergestellt werden, ohne Material zu verschwenden.

Die Umformtechnik hat sich im Laufe der industriellen Entwicklung von handwerklichen Verfahren wie Schmieden oder Walzen zu hochautomatisierten, digital gesteuerten Produktionssystemen entwickelt. Sie kombiniert heute traditionelle Ingenieurskunst mit moderner Technologie und ist aus der Industrie 4.0 nicht mehr wegzudenken.

In diesem Artikel erfahren Sie alles über die Grundlagen, Verfahren, Materialien, Maschinen, Vorteile und Zukunftstrends der Umformtechnik.


1. Was ist Umformtechnik?

1.1 Definition

Unter Umformtechnik versteht man alle Verfahren der Fertigungstechnik, bei denen ein Werkstoff unter Einwirkung äußerer Kräfte eine bleibende Formänderung erfährt, ohne dass Material entfernt oder hinzugefügt wird.
Das Volumen des Werkstücks bleibt also konstant. Es handelt sich um eine sogenannte volumenkonstante Verformung.

1.2 Grundprinzip

Das Prinzip basiert auf der plastischen Verformbarkeit von Werkstoffen. Wird ein Material so stark belastet, dass die Elastizitätsgrenze überschritten wird, kommt es zu einer dauerhaften Formänderung – der sogenannten plastischen Deformation.
Nach Entfernen der Kraft bleibt das Werkstück in der neuen Form bestehen.

1.3 Bedeutung in der Industrie

Die Umformtechnik ermöglicht die Massenproduktion von Bauteilen mit hoher Genauigkeit, Belastbarkeit und Oberflächenqualität. Sie wird in nahezu allen Branchen eingesetzt – etwa im Automobilbau, in der Luftfahrt, im Maschinenbau, in der Bauindustrie und der Elektrotechnik.


2. Historische Entwicklung der Umformtechnik

Die Geschichte der Umformtechnik reicht mehrere Jahrtausende zurück. Schon früh entdeckten Menschen, dass Metalle bei Erhitzen und Bearbeiten ihre Form verändern lassen.

2.1 Frühzeit und Antike

Bereits um 4000 v. Chr. begannen Handwerker, Kupfer und Bronze zu bearbeiten. Mit der Entdeckung des Eisens im 2. Jahrtausend v. Chr. entwickelte sich das Schmieden zur wichtigsten Form der Umformtechnik. Schmiede galten als hochangesehene Spezialisten, die Werkzeuge, Waffen und Schmuck herstellten.

2.2 Mittelalter und Neuzeit

Im Mittelalter kamen Wasser- und Windkraft zum Einsatz, um Hämmer und Walzen anzutreiben. Mit Beginn der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert wurden mechanische Pressen und Walzwerke entwickelt, die eine Serienproduktion ermöglichten.

2.3 Moderne Entwicklung

Heute ist die Umformtechnik digitalisiert, automatisiert und vernetzt. Roboter, CNC-gesteuerte Maschinen und Simulationssoftware optimieren den gesamten Herstellungsprozess. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind neue Leitmotive dieser Entwicklung.


3. Einteilung der Umformverfahren

Die Umformtechnik wird grundsätzlich in zwei Hauptbereiche gegliedert:

  • Massivumformung
  • Blechumformung

Daneben existieren Sonderverfahren wie Pulverumformung, Hydroforming oder superplastische Umformung.


4. Massivumformung

4.1 Definition

Bei der Massivumformung haben die Werkstücke ein relativ großes Volumen. Die Verformung erfolgt meist unter hohen Kräften und Temperaturen. Typische Produkte sind Wellen, Achsen, Bolzen oder Zahnräder.

4.2 Wichtige Verfahren der Massivumformung

4.2.1 Schmieden

Das Schmieden zählt zu den ältesten Umformverfahren. Dabei wird der Werkstoff durch Druck- oder Schlagkräfte geformt.

  • Freiformschmieden: flexible Herstellung einzelner Bauteile.
  • Gesenkschmieden: präzise Serienfertigung mit Formwerkzeugen.
  • Präzisionsschmieden: Kombination aus hoher Genauigkeit und geringer Nachbearbeitung.

4.2.2 Walzen

Beim Walzen wird ein Werkstück zwischen zwei rotierenden Walzen hindurchgeführt.
Anwendungsbeispiele:

  • Stahlbleche, Drähte, Schienen, Profile.

4.2.3 Strangpressen (Extrusion)

Hier wird das Material durch eine Öffnung (Matrize) gepresst.
Anwendungen:

  • Aluminiumprofile, Kupferrohre, Fensterrahmen.

4.2.4 Ziehen

Beim Ziehen wird ein Werkstück durch eine Düse gezogen und dabei im Querschnitt verringert.
Beispiele:

  • Drahtziehen, Rohrziehen.

5. Blechumformung

5.1 Definition

Bei der Blechumformung wird ein flaches Blech durch Druck, Zug oder Biegung in eine bestimmte Form gebracht. Dieses Verfahren findet vor allem in der Automobilindustrie Anwendung.

5.2 Typische Verfahren

5.2.1 Tiefziehen

Ein Blech wird durch einen Stempel in eine Matrize gedrückt.
Anwendungsbeispiele:

  • Dosen, Spülen, Karosserieteile.

5.2.2 Biegen

Beim Biegen wird das Blech entlang einer Achse dauerhaft verformt.
Beispiele:

  • Rohrleitungen, Träger, Metallwinkel.

5.2.3 Stanzen und Prägen

Diese Verfahren kombinieren Umformung mit Schneiden.
Beispiele:

  • Münzen, Logos, Strukturbleche.

6. Temperaturbereiche der Umformung

Die Umformung kann in drei Temperaturbereichen stattfinden:

6.1 Kaltumformung

  • Verformung bei Raumtemperatur.
  • Hohe Maßhaltigkeit, gute Oberflächenqualität.
  • Höherer Kraftaufwand erforderlich.
    Anwendungen: Schrauben, Muttern, Präzisionsteile.

6.2 Warmumformung

  • Verformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur.
  • Geringe Umformkräfte, gute Formbarkeit.
  • Gefahr der Oxidation.
    Anwendungen: Schmiedeteile, Stahlträger.

6.3 Halbwarmumformung

  • Kombination aus Warm- und Kaltumformung.
  • Energieeinsparung und geringerer Verschleiß.

7. Werkstoffe der Umformtechnik

7.1 Metalle

Die wichtigsten Werkstoffe sind:

  • Stähle (hochfest, vielseitig)
  • Aluminium (leicht, korrosionsbeständig)
  • Kupfer (leitfähig, formbar)
  • Titan (hohe Festigkeit bei geringem Gewicht)

7.2 Nichtmetallische Werkstoffe

Auch Kunststoffe und Verbundmaterialien werden zunehmend umgeformt.
Beispiel: Kunststoffverformung im Spritzprägen oder Thermoformen.

7.3 Verbundwerkstoffe

Carbonfaser- oder glasfaserverstärkte Materialien gewinnen im Leichtbau an Bedeutung.


8. Maschinen und Anlagen der Umformtechnik

8.1 Pressen

  • Hydraulikpressen: hohe Präzision, flexible Steuerung.
  • Mechanische Pressen: schnell und für Serienfertigung geeignet.
  • Servopressen: moderne Kombination aus Energieeffizienz und Steuerbarkeit.

8.2 Walzwerke

Zur Herstellung von Blechen und Profilen in großen Mengen.

8.3 Schmiedehämmer und Strangpressanlagen

Ermöglichen kontrollierte Kraftübertragung bei Massivumformungen.

8.4 Werkzeuge

Werkzeuge bestehen aus hochfesten Stählen, Hartmetallen oder Keramiken.
Ihre Qualität bestimmt maßgeblich die Genauigkeit und Lebensdauer des Prozesses.


9. Vorteile der Umformtechnik

  1. Materialeffizienz: Geringer Abfall im Vergleich zu Zerspanung.
  2. Hohe Festigkeit: Durch Kaltverfestigung und Kornfeinung.
  3. Gute Oberflächenqualität: Kein Riss- oder Porenrisiko.
  4. Wirtschaftlichkeit: Kurze Zykluszeiten und hohe Produktivität.
  5. Nachhaltigkeit: Weniger Energie- und Materialverbrauch.

10. Herausforderungen

  • Hoher Werkzeugverschleiß.
  • Energieintensive Warmumformung.
  • Komplexe Prozesssteuerung.
  • Begrenzte Formbarkeit bei bestimmten Legierungen.

Neue Beschichtungen, Simulationstechniken und Werkstoffentwicklungen helfen jedoch, diese Probleme zu minimieren.


11. Digitalisierung und Simulation

11.1 CAD/CAM

Computergestützte Systeme ermöglichen die präzise Planung und Steuerung von Umformprozessen.

11.2 FEM-Simulation (Finite-Elemente-Methode)

Damit lassen sich Materialflüsse, Spannungen und Dehnungen schon im Vorfeld berechnen.

11.3 Industrie 4.0

Vernetzte Maschinen, Sensoren und Echtzeitdaten machen die Produktion intelligenter, effizienter und nachhaltiger.


12. Anwendungen der Umformtechnik

Die Umformtechnik spielt in zahlreichen Industrien eine zentrale Rolle:

  • Automobilindustrie: Karosserieteile, Felgen, Wellen.
  • Luft- und Raumfahrt: Leichtbaukomponenten.
  • Elektrotechnik: Leitungen, Kontakte, Gehäuse.
  • Bauindustrie: Träger, Bleche, Rohre.
  • Medizintechnik: Implantate, chirurgische Instrumente.

13. Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz

Die moderne Umformtechnik trägt aktiv zur nachhaltigen Industrieproduktion bei:

  • Recyclingfähige Metalle reduzieren Rohstoffverbrauch.
  • Energieeffiziente Pressen minimieren Stromkosten.
  • Ökologische Schmierstoffe schützen Umwelt und Arbeiter.

Darüber hinaus spielt Life-Cycle-Engineering eine wachsende Rolle – also die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Bauteils von der Herstellung bis zum Recycling.


14. Zukünftige Trends der Umformtechnik

14.1 Hybride Fertigung

Kombination von additiver Fertigung (3D-Druck) und Umformtechnik für maßgeschneiderte Bauteile.

14.2 Künstliche Intelligenz

KI optimiert Prozesse, erkennt Fehler frühzeitig und reduziert Ausschuss.

14.3 Leichtbau und neue Werkstoffe

Verstärkter Einsatz von Aluminium-, Titan- und Verbundwerkstoffen in der Automobil- und Flugzeugindustrie.

14.4 Nachhaltige Produktion

CO₂-neutrale Umformwerke mit erneuerbaren Energien und Kreislaufwirtschaftskonzepten.


15. Fazit

Die Umformtechnik ist eines der wichtigsten und vielseitigsten Gebiete der modernen Fertigung. Sie vereint Präzision, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Ob Schmieden, Walzen, Tiefziehen oder Strangpressen – jedes Verfahren hat seine spezifischen Vorteile und Anwendungen.