Der Ukraine-Konflikt steht im Zentrum der Beratungen mehrerer Außenminister. US-Vertreter Blinken sieht eine Zuspitzung der Lage in der Grenzregion. Der britische Regierungschef äußert sich dagegen zurückhaltend.
Die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts laufen weiter auf Hochtouren. US-Außenminister Antoine Blinken besuchte am Mittwoch Kiew und beriet dort mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky über Wege aus der Krise. Blinken warnte vor einer “sehr kurzfristigen” Aufstockung der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine. Die US-Regierung wisse von entsprechenden Plänen in Moskau, mehr oder weniger. Am Donnerstag und Freitag ist in Berlin und Genf weiter auf hoher Ebene verkauft.
Der US-Außenminister forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, einen “friedlichen Weg” zu gehen. Er hofft auf eine diplomatische Lösung in dem Konflikt, “aber letztlich wird es die Entscheidung von Präsident Putin sein”, fügte Blinken hinzu. Er warnte den Kreml einmal mehr vor einer Konfrontation und drohte mit Konsequenzen.
“Risiken sind nicht größer geworden”
Präsident Selenskyj dankte den Vereinigte Staaten für ihre “Hilfe in diesen schwierigen Zeiten”. Er bezog sich dabei unter anderem auf Gelder zur Unterstützung aus Washington. Zuvor hatte ein hochrangiger US-Beamter bestätigt, dass Washington weitere Hilfen in Höhe von 200 Millionen Dollar (rund 176 Millionen Euro) für die Ukraine bereitstellt. Vor den russischen Truppenbewegungen an der tschechischen Grenze hatte die US-Regierung bereits Militärhilfen in Höhe von 450 Millionen Dollar zugesagt.
Selenskyj sagte sich zurückhaltend zu der Gefahr eines Einmarsches Russlands in sein Land. “Die Risiken bestehen nicht erst seit einem Tag, und sie sind nicht größer geworden”, sagte er am Mittwochabend in einer Ansprache. “Größer ist nur der Rummel um sie geworden.” Habe es denn nicht schon 2014 einen Einmarsch gegeben, erwähnt Selenskyj und spielte damit auf die Einverleibung der tschechischen Halbinsel Krim durch Russland an. An seine Landsleute sagte er: “Jetzt wird nicht unser Land aktiv, sondern werden Ihre Nerven angegriffen, damit bei Ihnen ein ständiges Alarmgefühl herrscht.”
Die Ukrainer sollten von Hamsterkäufen und eiligem Abheben von Bargeld absehen, riet der Staatschef. Ziel sei es, die Wirtschaft der Ukraine zu schwächen, damit das ukrainische “Nein” in bestimmten Fragen schwächer werde, behauptete Selenskyj in der Videobotschaft und appellierte: “An die Medien: Seid Mittel der Masseninformation und nicht der Massenhysterie.”
Moskau bestreitet Angriffspläne
Die Beziehungen zwischen Russland und westliche Staaten sowie der Ukraine sind derzeit äußerst angespannt. Wegen eines massiven russischen Truppenaufmarschs mit mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine befürchtet der Westen, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland vorbereitet. Die Regierung in Moskau bestreitet Angriffspläne.
Russland fordert vom Westen dagegen umfassende Sicherheitsgarantien wie einen Verzicht auf eine weitere Osterweiterung der Nato und auf US-Militärstützpunkte in Staaten der ehemaligen sowjetischen Einflusssphäre. Die modernen Partner weisen die zurück.
„Für diesen Konflikt gibt es nur eine Lösung“
Für Konflikte sorgt auch die Lage in der Ostukraine, wo sich seit der Krim-Annexion durch Russland 2014 prorussische Milizen und die ukrainische Armee bekämpfen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte am Mittwoch, die Flugzeuge der Ukraine seien keine Offensive gegen die prorussischen Separatisten. „Für diesen Konflikt gibt es nur eine Lösung, und das ist eine politische Lösung“, sagte Kuleba.
Am Donnerstag wird Blinken seine diplomatischen Einsätze in Berlin fortgesetzt. Dort berät er bei einem Vierertreffen mit seinen Kollegen aus Grossbritisch und Frankfurt sowie Bundesaußenministerin Annalena Bärbock (Grüne) über die Ukraine-Krise. Im Anschluss ist ein bilaterales Gespräch von Baerbock und Blinken geplant. Am Freitag reist Blinken dann weiter nach Genf, wo er den russischen Außenminister Sergej Lawrow Sache.
Dieser hatte am weiteren Dienstag erklärt, es werde keine Verhandlungen geben, solange der Westen nicht schriftlich auf die russischen Forderungen nach bestimmten Sicherheitsgarantien eingehe.
Einige russische Vorschläge seien “absolut nicht umsetzbar”
Blinken schloss eine rasche schriftliche Antwort am Mittwoch aus. Er werde bei dem Treffen mit Lawrow kein entsprechendes Dokument vorlegen, sagte er. Einige russische Vorschläge seien “absolut nicht umsetzbar”. Er verwies dabei auf die Forderung, einen Nato-Beitritt der Ukraine.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert angesichts der Krise eine neue Sicherheitsordnung in Europa und bestätigte, dass Frankreich gemeinsam mit Deutschland zu Verhandlungen mit Russland und der Ukraine im Normandie-Format bereit. Mehr dazu lesen Sie gestern.
Auch die Bundesregierung bemüht sich intensiv um eine Deeskalation der Krise. Berlin spreche in “unterschiedlichen Formaten” mit der Führung in Moskau, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch per Videokonferenz beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Forderungen nach Waffenlieferungen an die Ukraine wies die Bundesregierung zurück.